Internet-Konsultation zur Bodenschutz-Strategie für
Bürger und Experten
Die EG entdeckt den Bodenschutz
Seit dem 28. Juli 2005 hat die Generaldirektion
Umwelt der Europäischen Kommission die
Internet-Seite http://www.europa.eu.int/comm/environment/soil/index.htm
online gestellt. Bis Ende September 2005 können dort
Bürger, Experten und Organisationen ihre Meinung
dazu äußern, was sie von bestimmten Ansätzen für
eine künftige europäische Bodenschutzpolitik halten.
Die Fragebögen sind in unterschiedlichen Sprachen,
u.a. auch in deutsch, abgefasst. Für Einzelpersonen
ist die Beantwortung anonym; Organisationen müssen
ihren Namen angeben.
Die EG hat - wie auch das deutschen Umweltrecht -
den Boden erst relativ spät “entdeckt”, obwohl es
sich neben Wasser und Luft um eines der zentralen
Umweltgüter handelt. Zwar erwähnt bereits die 20
Jahre alte UVP Richtlinie 85/337/EWG den Boden als
Umweltmedium. Inhaltliche Anforderungen ergaben sich
aber daraus noch nicht. Die grundlegenden
Umwelt-Richtlinien der EG aus den 1990er Jahren
betrafen den Naturschutz, die Luftreinhaltung und
den Gewässerschutz. Dagegen erschien erst im Jahr
2002 ein erstes konzeptionelles Papier “Hin zu einer
europäischen Bodenschutzstrategie”; die oben
genannte Seite enthält einen Verweis darauf.
In den letzten Jahren ist der Bodenschutz bereits an
einigen Stellen in jüngere EG-Normen eingeflossen:
So enthält die Verordnung 1782/2003 über
Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe (ein
zentrales Werk zur seit 2005 gültigen neuen
Agrarpolitik) im Anhang IV Anforderungen an die
Erhaltung landwirtschaftlicher Flächen in einem
“guten landwirtschaftlichen und ökologischen
Zustand”. Auch die EG-Richtlinie 2004/35 über die
Umwelthaftung spricht u.a. die Schädigung des Bodens
als eine Variante des Umweltschadens an. Allerdings
handelt es sich hierbei um eher zaghafte Ansätze; so
gilt die Richtlinie über Umwelthaftung erst für
Schäden, die ab 2007 eintreten, und nicht für
vorhandene Altlasten. Zu diesen hat der Europäische
Gerichtshof im Jahr 2004 die so genannte
“Texaco-Entscheidung” getroffen, die verunreinigten
Boden in vielen Fällen zu “Abfall” erklärte und den
Verpflichtungen nach der EG-Richtlinie 75/442
unterwarf; da dies verbreitet als unbefriedigend
erscheint, ergibt sich aus der Entscheidung ein
zusätzlicher Handlungsbedarf im Bereich des
Bodenschutzes.
Der Fragebogen, den die GD Umwelt nun im Internet
präsentiert, lässt eine deutliche Ausrichtung auf
bestimmte Problemfelder erkennen, die bestimmte
Flächen bedrohen: Erosion, Erdrutsche, Verdichtung,
Verlust an organischer Substanz, Kontamination,
Versalzung etc.. Der allgemeine Vorsorgeansatz des
deutschen Bodenschutzrechts, der sich in § 7
BBodSchG und §§ 9 - 12 BBodSchV findet, kommt
weniger zum Vorschein. Aus der deutschen Perspektive
erscheinen verschiedene Problembereiche primär im
Mittelmeerraum und im Hochgebirge verortet.
Andererseits ist z.B. die Verdichtung von Böden und
auch die Erosion eine Begleiterscheinung
landwirtschaftlicher Intensivnutzung in der gesamten
Gemeinschaft. Auch die Flächenversiegelung wird als
Thema des Bodenschutzes genannt. Gar nicht erwähnt
ist jedoch die Versauerung von Böden, die als
Begleiterscheinung des Waldsterbens in der deutschen
Umweltdiskussion sehr präsent ist.
Man darf gespannt sein, in welchem Maße es die
europäische Umweltpolitik in einer Zeit, in der auch
das Handeln der Kommission unter dem Primat des
“Wirtschaftsstandortes” steht, noch schafft,
einheitliche und fachlich angemessene Standards für
den Bodenschutz vorzugeben. Da etliche
Mitgliedsstaaten noch kein Bodenschutzrecht
besitzen, könnte ein materieller Grundrahmen bereits
als Fortschritt betrachtet werden. Von der
Gemeinschaft bereits im ersten Anlauf ein Lösung für
die gravierendsten deutschen Bodenschutzprobleme -
Flächenverbrauch, Altlastensanierung,
Luftschadstoff-Einträge jenseits der critical loads
- zu erwarten, wäre sicherlich zu anspruchsvoll. Die
jetzt vorliegenden Fragebögen weisen eher in die
Richtung, dass zunächst besonders gravierende
Schäden und Gefährdungen auf Teilflächen im
Blickpunkt stehen und die Mitgliedsstaaten
angehalten werden sollen, betroffene Flächen zu
identifizieren und Abhilfemaßnahmen einzuleiten. |