Aarhus-Konvention
über Verbandsklage und Verfahrensbeteiligung in
Kraft getreten
Kennen Sie die
UNECE? Die United Nations-Economic Commission for
Europe führt neben EG und OECD eher ein
Schattendasein. Unter ihrem Dach wurde aber 1998 in
der dänischen Stadt Aarhus das "Übereinkommen
über den Zugang zu Informationen, die
Öffentlichkeitsbeteiligung an
Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten
in Umweltangelegenheiten" unterzeichnet. Nach
der Ratifizierung durch 16 Staaten ist es am 30.
Oktober 2001 in Kraft getreten, wie die UNECE auf
ihrer Internet-Seite - http://www.unece.org/env/pp/
- darstellt.
Wie der Titel des
Abkommens andeutet, handelt es sich bei seinen
Vorschriften um Themen, die für den Alltag des
Verwaltungshandelns im Umweltschutz relativ
handfeste Bedeutung besitzen. Das unbestreitbare
"Highlight" des Übereinkommens aus
deutscher Sicht ist der Art. 9 über den Zugang zu
Gerichten. Absatz 2 verpflichtet die Unterzeichner,
die "materiell-rechtliche und
verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit" von
Entscheidungen, für die die Beteiligungspflicht
besteht, einer Gerichtskontrolle durch die
"betroffene Öffentlichkeit" zu
unterwerfen. Gemäß Art. 2 Nr. 5 des
Übereinkommens gehören Umweltorganisationen zur
betroffenen Öffentlichkeit und gemäß Art. 9 Abs.
2 muss ihnen grundsätzlich ein rechtliches
Interesse bzw. ein subjektives Recht zuerkannt
werden. Art. 9 Abs. 3 komplettiert dieses umfassende
rechtsstaatliche System durch einen
Rechtsschutzanspruch gegen behördliche
Vollzugsmaßnahmen sowie Verletzungen des
Umweltrechts durch Private.
Im Vergleich hierzu
sind die Konsequenzen der Regelungen über die
Öffentlichkeitsbeteiligung (Art. 6 des
Übereinkommens) in Deutschland vergleichsweise
gering, da sie Parallelen zur UVP-Richtlinie der EG
aufweisen. Aber bereits dieser Teil bringt eine
Ausdehnung der westeuropäischen Verfahrenskonzepte
auf die Mittel- und Osteuropäischen Staaten, die in
großer Zahl das Übereinkommen mit unterzeichnet
haben. Inhaltlich ist bemerkenswert, dass in die
Öffentlichkeitsbeteiligung nicht nur Vorhabenszulassungen
sowie Pläne und Programme einbezogen werden (Art.
7), sondern laut Art. 8 auch "exekutive
Vorschriften und/oder allgemein anwendbare
rechtsverbindliche normative Instrumente".
Einige neue
Perspektiven eröffnen auch die Regelungen über den
Zugang zu Umweltinformationen. Neben Parallelen zum
Recht der EG über den Informationszugang (Art. 4
des Übereinkommens) regelt Art. 5 ausgiebig die
Bereitstellung von Informationen durch die
Behörden. Es wird den Unterzeichnerstaaten eine
Erstellung von Datensammlungen über wichtige
Aspekte der Umweltbelastung vorgeschrieben bis hin
zu nationalen Datenbanken über dieses Thema.
Ein deutscher Text
des Übereinkommens kann beim BMU unter www.bmu.de
- Downloads - Rubrik "Umweltinformation"
heruntergeladen werden.
Die Europäische
Kommission, die das Übereinkommen ebenfalls
unterzeichnet hat, hat für die ihr zugänglichen
Themenbereiche "Umweltinformation" und
"Verfahrensbeteiligung" bereits Entwürfe
von Richtlinienänderungen ins
Rechtsetzungsverfahren gegeben (KOM (2000) 402 zur
Änderung der UI-RL und KOM (2000) 839 vom 18.1.2001
zur Anpassung des UVP-Rechts).
Bei dem spannenden Thema des gerichtlichen
Rechtsschutzes, der nach der Aarhus-Konvention
wesentlich über den ersten Schritt im vorgesehenen
BNatSchG-Änderungsgesetz hinausgehen müsste, ist
die Europäische Kommission aber kaum in der Lage,
den Mitgliedstaaten voranzuschreiten. Auf diesem
Feld ist dem Aarhus-Übereinkommen eine größere
öffentliche Aufmerksamkeit als bisher und eine rege
Umsetzungsdiskussion zu wünschen, damit nicht
allein Staaten wie Estland und Ungarn die Vorreiter
für moderne rechtsstaatliche Verfahren werden.
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